Elser

Georg Johann Elser  (1903 - 1945)

Vorwort

Alljährlich zum 20. Juli zentriert sich die Medienberichterstattung in Deutschland auf die Widerstandsbewegung gegen die Regierung Adolf Hitler. Am 20.07.1944 sollte der Plan "Walküre" verwirklicht werden. Hitler sollte durch ein Bombenattentat ermordet werden, dann die Diktatur zugunsten einer Militärdiktatur umgestürzt werden. Nach der Detonation wurden die erfolgten Umsturzbefehle allerdings nur teilweise ausgeführt. Der Putsch brach endgültig zusammen, als Hitler am gleichen Tag in einer Radioansprache vom Attentat berichtete. In der Folge des Attentats wurden die Putschisten, viele ihrer Familienangehörigen sowie willkürlich gegriffene Oppositionelle unter bereitwilliger Mitwirkung der deutschen Justiz ermordet.

Das ist das prägende Bild des Widerstands, wie es mir dank meiner westdeutschen Biographie vorschwebt. Ein Attentat von aufrechten Militärs, das mit dem Namen des Generalstabsoffiziers Claus Graf Schenk von Stauffenberg assoziiert ist.

Aber natürlich waren es nicht nur Militärs, die am Putsch beteiligt waren. Und natürlich vertraten die Putschisten alle dezidiert antikommunistische Haltungen, so daß sie mit dem Großteil der oppositionellen Kräfte natürlich nicht kooperierten. Natürlich auch hatte die geplante Militärdiktatur nichts mit Demokratie zu tun. Und natürlich hatte der Putschversuch keine ernsthaften Auswirkungen auf den Fortbestand der Diktatur. Und ist das nicht eigentlich merkwürdig?

War doch zum Zeitpunkt des Attentats die militärische Niederlage längst abzusehen. Die alliierten Soldaten waren erfolgreich in der Normandie gelandet. Stalingrad war schon eineinhalb Jahre zurückerobert. Die sowjetischen Soldaten drangen unaufhaltsam nach Westen vor. England war im Luftkrieg deutlich überlegen. Wesentliche Teile der Infrastruktur und Rüstungsindustrie waren zerstört. Von den verbündeten europäischen Faschisten war keine militärische Unterstützung zu erwarten. Die Staatsverschuldung war desaströs.

Umsturzversuche sollten in einer solchen Lage eigentlich auf der Tagesordnung stehen. Standen sie aber nicht. Denn der nichtverfolgte Teil der deutschen und auch eingedeutschten Bevölkerung hatte im allgemeinen nach wie vor großes Zutrauen zum Diktator. Attentate wurden regelmäßig mit einem enormen Sympathiezuwachs für die Attackierten belohnt. Noch wichtiger als der Tyrannensturz war es daher wohl, die Bevölkerung aufzuklären und gegen die Nazis zu mobilisieren; der Verbrecher Hitler würde dann schon zu Gericht gezogen werden. Die Strategie vieler Gruppen war denn auch, eine breite gesellschaftliche Basis gegen die Nazis über dezentrale Bündnisarbeit erst einmal zu organisieren. So fand Widerstand en detail und historisch meist anonym statt. Und er funktionierte nicht.

Was ist nun mit Georg Elser? Ebenso wie Stauffenberg legte er eine Bombe, die Hitler beinahe tötete. Sie detonierte am 8. November 1939, also zwei Monate nach Beginn des Angriffes auf Polen und mehr als zwei Jahre bevor Hitler den Befehl gab, gezielt sämtliche Menschen jüdischen Glaubens zu ermorden. Im Gegensatz zu Stauffenberg aber war Elser kein Militär. Und im Gegensatz zu Stauffenberg ist er nach wie vor unbekannt. Das, obwohl ein Film von und mit Klaus Maria Brandauer, mehrere Bücher verschiedener Genres und immer mal wieder Beiträge über Elser publiziert werden. Ich wollte dazu beitragen, daß bei Diskussionen über den Widerstand in Deutschland nicht nur über Militärs gesprochen wird, die letzten Endes auch die Greueltaten des Regimes trugen.

Im folgenden also ein wenig Information zu Georg Elser und einem Attentat, das acht Menschen umbrachte und Hitler eine Unmenge an Sympathie einbrachte.

Biographisches

"Elser, Johann Georg (4.1.1903 - 9.4.1945)
Elser wuchs in einer württemberger Arbeiterfamilie auf. Er begann 1917 eine Ausbildung zum Eisendreher, die er zwei Jahre später abbrechen mußte, und wurde Bau- und Möbelschreiner. Seit 1925 arbeitete er in einer Konstanzer Uhrenfabrik, seit 1930 in einem ähnlichen Betrieb in Meersburg. 1932 kehrte er nach Königsbronn zurück und richtete sich eine kleine Schreinerwerkstatt ein. Seit 1935 fand er als Gelegenheitsarbeiter sein Auskommen und arbeitete ab Dezember 1936 in einer Armaturenfabrik in Heidenheim/Württemberg. Er stand vorübergehend dem Roten Frontkämpferbund nahe, wurde aber bald zum Einzelgänger, weil er entschiedenen Widerstand gegen Hitlers Regierungsübernahme forderte. Nach dem Münchener Abkommen vom Herbst 1938 entschied sich Elser, gewaltsam Widerstand gegen das NS-Regime zu leisten und auf diese Weise den Ausbruch eines als sicher erwarteten Weltkrieges zu verhindern. ..."

(aus: Lexikon des Widerstandes 1933 - 1945, hrsg. von Peter Steinbach und Johannes Tuchel, München: Beck, 1994)

Vorbereitung des Attentats

"... Während meines Aufenthaltes in München vom 5. August bis 6. November 1939 war ich insgesamt ungefähr 30- bis 35mal nachts im Bürgerbräukeller-Saal.

Als ich meine Kleider in Ordnung gebracht, meine Werkzeuge, soweit ich sie als für den ersten Gebrauch notwendig schon mitgenommen hatte, zurechtgelegt hatte, bin ich vielleicht in der 3. oder 4. Nacht nach meiner Ankunft in München zum ersten Male im Saal an die Arbeit gegangen. An den Tagen, an denen ich nachts im Bürgerbräukeller gearbeitet habe, begab ich mich jedesmal gegen 20-22 Uhr in den Wirtschaftsraum des Bürgerbräukellers, um dort mein Abendbrot einzunehmen. Ich nahm dort regelmäßig Platz und wurde meistens von dem Servierfräulein B. bedient. Ich aß nach der Karte und habe jedesmal ein Glas Bier getrunken. ... Gegen 22 Uhr habe ich dort durchwegs bezahlt. Ich verließ anschließend den Wirtschaftsraum, begab mich von da aus durch den Garderobenraum in den nicht verschlossenen Saal, begab mich dort über den hinteren Treppenaufgang auf die Galerie, ging diese bis zur rückwärtigen Front entlang und versteckte mich dort in einem Abstellraum, der sich neben dem rückwärtigen Zugang zur Galerie befindet und der lediglich durch eine spanische Wand verdeckt war. In diesem Raum befanden sich leere Pappschachteln. Ähnliche Pappschachteln hatte ich in der im Bürgerbräukeller befindlichen Schießbude gesehen, als ich im Oktober dort einige Male sonntags Tanzunterhaltungen aufsuchte.

Ob das Betreten des Saales irgendeinmal beobachtet wurde, kann ich nicht angeben. Im Saal brannte anfangs die Notbeleuchtung, später, d.h. nach Kriegsbeginn, war dort keine Beleuchtung mehr eingeschaltet. Um diese Zeit fiel dorthin lediglich der Lichtschein, der aus der Küche und aus dem Garderobenraum kam. In dem erwähnten Versteck hielt ich mich solange auf, bis der Saal abgesperrt worden war. Es war dies stets in der Zeit zwischen 22.30 Uhr und 23.30 Uhr. Ehe der Saal abgeschlossen wurde, wurden dort von Frau M. - es ist dies die mir bekannte Zigarrenfrau im Bürgerbräukeller - im Saal die dort sich aufhaltenden Katzen gefüttert. Die Galerie hat sie dabei nicht betreten. Anschließend wurde dreimal abgesperrt, soviel ich durch das Geräusch gehört, war lediglich das Absperren des Haupteinganges erfolgt. Ob der Notausgang zum Garten verschlossen war, ist mir nicht bekannt.

Nach dem Abschließen des Saales begab ich mich von meinem Versteck aus unmittelbar an die Säule, wo ich den Einbau meines Apparates vornahm. Ich habe mich lediglich hier und da noch kurze Zeit in dem Versteck aufgehalten, um mich tatsächlich davon zu vergewissern, daß sich niemand im Saal befand.

Ich verblieb ständig die ganze Nacht im Saal. Der Saal wurde in der Zeit zwischen 7 und 8 Uhr morgens wieder geöffnet. Es wurden von einer Person, die ich nie gesehen habe, der Saaleingang von der Garderobe aus und der Notausgang zum Garten, der sich neben der Schenke befindet, geöffnet. Meine Arbeiten hatte ich zwischen 2 und 3 Uhr stets beendet, anschließend hielt ich mich bis zum Verlassen des Saales wieder in dem bereits erwähnten Versteck auf, in dem sich auch ein Stuhl befand. Dort habe ich bis zum Verlassen des Versteckes gedöst. Im August 1939 habe ich nach Öffnung des Saales diesen teils durch den Notausgang zum Garten verlassen. Mit Kriegsbeginn war in den Bürgerbräukeller eine Luftschutzwache gelegt worden, die im Alt-Münchener Saal untergebracht war und die morgens zwischen 6.30 und 7.30 Uhr in der kleinen Küche, die sich in der Nähe der Bühne im Saal befindet, Kaffee gekocht hat. Aus wieviel Männern sich die Luftschutzwache zusammensetzte, kann ich nicht angeben. Mit dem Einzug der Luftschutzwache im Bürgerbräukeller wurde der erwähnte Notausgang bereits um 6 Uhr früh von einer mir unbekannten Person geöffnet. Von dieser Zeit ab verließ ich den Bürgerbräukeller bereits gegen 6.30 Uhr. Ob ich im August beim Verlassen des Saales von irgend jemand beobachtet wurde, weiß ich nicht. Ich habe wohl gesehen, daß seinerzeit im Garten des Bürgerbräukellers ein alter Mann sich aufgehalten hat, der den Garten in Ordnung brachte, ob dieser mich aber beobachtet hat, weiß ich nicht. Bestimmt weiß ich, daß ich ab September beim Verlassen des Notausganges von Männern der Luftschutzwache gesehen worden war. Ich wurde jedoch von diesen nie angehalten. Bekannt sind mir diese Männer nicht, auch bin ich nicht in der Lage, eine Beschreibung dieser Männer abzugeben. Beim Verlassen des Saales habe ich, um mich nicht irgendwie verdächtig zu machen, keinerlei besondere Vorsichten angewandt. Ich habe den Saal stets nur auf die angegebene Weise betreten und verlassen, eingestiegen bin ich nie. ...

Ich trug damals durchweg einen dunkelblauen Kammgarnanzug mit langer Hose, schwarze Halbschuhe und einen kafeebraunen Pullover. ..."

(Georg Elser, Aussage vor der Geheimen Staatspolizei 1939. Zitiert nach: Widerstand in Deutschland 1933 - 1945: ein historisches Lesebuch / hrsg. von Peter Steinbach und Johannes Tuchel, München: Beck, 1994)

Attentat

"Schon gegen 18 Uhr am 8. November waren Saal und Empore im "Löwenbräu" dicht gefüllt, von der Prominenz waren Bouhler, Himmler, Rosenberg, Frank, Goebbels, Ribbentrop und Sepp Dietrich da. Der Badenweiler Marsch wurde gespielt und die "Blutfahne" hereingetragen, dann kam der Führer, Jubel erhob sich unter den Dreitausend. Während es früher üblich gewesen war, daß Hitler seine große Rede gegen 20.30 Uhr begann und sie etwa um 22 Uhr beendete, hatte man wegen der knappen zur Verfügung stehenden Zeit den Beginn um eine halbe Stunde vorverlegt. Mit dem Glockenschlag um 20 Uhr kam Hitler herein, hielt seine Rede und schloß seine Ausführungen etwa um 21.10 Uhr. Etwa um 21.20 erfolgte die Explosion, und die herabstürzende Decke tötete acht Alte Kämpfer (einer von ihnen starb erst im Krankenhaus) und verletzte mehr als sechzig." [Anderweitig wird angegeben, daß unter den acht Toten eine Kellnerin war]

(Quelle: s.u.)

Ermordung

"Angesichts der mageren Untersuchungsergebnisse und des Mangels an Beweisen für die voreilige Behauptung, ausländische Geheimdienste steckten hinter dem Attentat, verzichtete man während des Krieges auf einen großen Prozeß gegen Elser. Als im Frühjar des 1945 das Ende des Reiches nahe war, holte Gestapo-Chef Heinrich Müller über Himmler Hitlers Entscheidung "wegen unseres besonderen Schutzhäftlings >Eller<" ein, unter welchem Decknamen Elser festgehalten wurde. Am 5. April 1945 schrieb er an den Lagerkommandanten von Dachau, SS-Obersturmbannführer Weiter:

"Bei einem der nächsten Terrorangriffe auf München bzw. auf die Umgebung von Dachau ist angeblich 'Eller' tötlich [sic] verunglückt. Ich bitte, zu diesem Zweck 'Eller' in absolut unauffälliger Weise nach Eintritt einer solchen Situation zu liquidieren... Die Vollzugsanzeige hierüber würde dann etwa an mich lauten: 'Am ... anläßlich des Terrorangriffs auf ... wurde u.a. der Schutzhäftling 'Eller' tödlich verletzt.""

(aus: Widerstand - Staatsstreich - Attentat / Der Kampf der Opposition gegen Hitler, Piper Verlag, München, p 305f)

Am 9.4.1945 wurde Elser im KZ Dachau exekutiert.


Bibliographie
Medien rund um Georg Elser

Chronik des Dritten Reiches
Eine Zusammenfassung der Ereignisse von 1933 bis 1945
Von Erwin Peterseil

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